Säckeweise Abhilfe gegen Plastikmüll im Ozean
Die Vermüllung der Weltmeere ist ein enormes Problem. Die nichtstaatlichen Organisationen One Earth – One Ocean und COMPED stellen sich dem aktiv entgegen und befreien in Kambodscha Gewässer von Abfall. Kärcher unterstützt sie dabei.
Müll auf dem Wasser soweit das Auge reicht
Langsam gleitet der Seehamster am Ufer des Mekongs entlang. Der kleine Katamaran bahnt sich seinen Weg durch die Wasserpflanzen. Von denen ist allerdings wenig zu sehen. Stattdessen: Fetzen von Plastiktüten, ausgediente Flip-Flops, Getränkedosen, Fast-Food-Verpackungen und ähnliche menschengemachte Hinterlassenschaften soweit das Auge reicht. Und auf die hat es die sechsköpfige Crew des offenen Boots mit den gelben Tonnen an der Reling abgesehen. Die fünf Männer und eine Frau gehören zum Hotspot-Cleanup-Projekt der Kooperation zwischen den Organisationen One Earth – One Ocean (OEOO) und Cambodian Education and Waste Management Organization (COMPED). Diese beiden nichtstaatlichen Organisationen haben sich 2018 zusammengetan, um den Mekong und seine Nebenflüsse in Kambodscha vom Müll zu befreien.
Denn nach Angaben von OEOO ist der Mekong einer der zehn Flüsse weltweit, durch die am meisten Plastikmüll in die Ozeane gelangt. Dagegen kämpfen momentan insgesamt vier Sammelbrigaden von OEOO und COMPED aus festangestellten, lokalen Mitarbeitenden an: in Phnom Penh, in Battambang, in Kampong Cham und seit Juni 2022 ein zusätzliches Hotspot-Team in Phnom Penh, das mit Unterstützung von Kärcher gegründet wurde. COMPED-Gründer Detlef Gutjahr erklärt den Grund für dieses Team: „In Phnom Penh war die Brigade vollkommen überfordert mit der Sammlung. Wir hatten so viele Stellen, die wir reinigen wollten, und haben es nicht geschafft.“ Chau Kim Heng, COMPED Teammanager, ergänzt: „Unser flexibles Hotspot-Cleanup-Team befreit den Mekong von Plastikmüll – und zwar, wo immer dies gerade am nötigsten ist. Es arbeitet unabhängig vom Standort und ist deshalb flexibel und effizient.“
Hilfe, wo sie nötig ist
Auf der Halbinsel Kah Krabay, zu Deutsch Insel der Wasserbüffel, zwischen dem Mekong und dem Fluss Bassac, gründeten OEOO und COMPED deshalb eine neue Station für ein mobiles Hotspot-Team. „So haben auch die Bürgerinnen und Bürger von Phnom Penh die Möglichkeit zu sagen: ‚In diesem kleinen Dorf am Mekong oder in dem Stadtteil von Phnom Penh liegen Abfälle, bitte helft uns!‘“, erklärt COMPED-Gründer Detlef Gutjahr. Da es um die Infrastruktur zur Müllentsorgung in Kambodscha schlecht bestellt ist, wird der Müll häufig einfach an Uferböschungen abgelegt – bei Hochwasser, das es in der Monsunzeit zwischen Mai und Oktober oft gibt, schwemmen der Mekong und seine Nebenflüsse den Müll in Richtung Meer.
An mindestens vier Tagen in der Woche rückt die Hotspot-Brigade aus. Sie besteht meistens aus sechs festangestellten Mitarbeitenden, bei hohem Müllaufkommen springt auch mal noch jemand aus einem anderen Team ein. Die Festanstellung ist neben dem Umweltaspekt der zentrale Punkt bei der Kooperation von OEOO und COMPED in Kambodscha, wie Gutjahr erklärt: „Auf den Deponien trifft man die Ärmsten der Armen. Sie brauchen auch außerhalb der Deponie eine Lebenszukunft. Durch die Zusammenarbeit mit OEOO hatten wir die Möglichkeit, Menschen in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einem monatlichen Einkommen zu überführen.“ Knapp 37.000 Euro kostet ein Team jährlich. Kärcher trägt die gesamten laufenden Betriebskosten des Teams.
Vom Abfall zur Energie-Ressource
Für heute ist der Seehamster satt, doch das Team hat noch alle Hände voll zu tun: Unzählige Säcke hat es wieder mit Unrat gefüllt, täglich sind es zwischen 100 und 150 Stück. Nun geht es ans Beladen des landestypischen Tuk Tuks und den Abtransport zum Hotspot-Zentrum auf einer Halbinsel zwischen dem Fluss Bassac und dem Mekong. Hier erfasst, wiegt, wäscht, trocknet und sortiert das Team allen Müll, den es mit Booten wie dem Seehamster, aber auch mit einem Lkw einsammelt. Allein in den ersten drei Monaten seines Bestehens kam es trotz erschwerter Bedingungen durch den Monsunregen auf fast acht Tonnen Abfall.
In der neugebauten Verwertungsanlage an der Hotspot-Station in Kah Krabay trennen die Mitarbeitenden den Müll mit erfahrenem Blick in verschiedene Kategorien für die Weiterverarbeitung: recyclebare Kunststoffabfälle, nicht wiederverwertbare Kunststoffabfälle, andere wiederverwertbare und nicht wiederverwertbare Abfälle, kompostierbare Abfälle. Sie werden stofflich verwertet, kompostiert oder auf einer Deponie beseitigt. Der Plastikmüll kommt dann zum Hauptsitz von COMPED auf der anderen Seite des Flusses Bassac. Hier pressen Mitarbeitende den Plastikmüll, der nicht recycelt werden kann, in kompakte Ballen von 30 bis 35 Kilo. Jetzt ist es kein Müll mehr, sondern vielmehr eine Energie-Ressource. Denn was nicht recycelt werden kann, verwendet die Chip Mong Ecocycle Company zur Energiegewinnung, erklärt Gutjahr: „Die thermische Verwertung erfolgt in einem Zementwerk. Dabei ersetzt der heizwertreiche Abfall andere Heizmaterialien wie Öl oder Gas.“ Damit das der Umwelt am Ende nicht mehr schadet als die Müllsammlung nutzt, werden die Emissionen aus dem Zementwerk kontrolliert und die Abgase gefiltert.
In einem Monat finden so circa zehn Tonnen Plastikmüll, die die vier OEOO und COMPED Teams sammeln, einen Nutzen – und landen nicht in unseren Ozeanen. OEOO-Gründer Günther Bonin sagt: „Wenn wir zum Beispiel den Yangtse nehmen, der im Jahr über 100.000 Tonnen Müll in die asiatischen Gewässer spült, und dann überlegen, dass One Earth – One Ocean in fünf Jahren 1.000 Tonnen rausholt, dann wirkt das wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber alles, was wir machen, ist gut, denn wir können jetzt noch mit relativ wenig finanziellen Mitteln sehr viel aufräumen. Und die Menschen in Asien und Afrika sind froh, wenn sie eine Arbeit haben, für die sie regelmäßig Geld bekommen.“
Die NGOs im Gespräch
Ein ausführliches Gespräch mit Günther Bonin von One Earth – One Ocean und Detlef Gutjahr von COMPED hören Sie im Kärcher Podcast Clean.
Der Verein One Earth – One Ocean wurde 2011 von Günther Bonin gegründet. Sein Ziel: Gewässer weltweit von Plastikmüll, aber auch Öl und Schadstoffen zu befreien. Zudem engagiert sich der Verein national und international in Forschung, Bildung und Dokumentation zum Thema Gewässerverschmutzung. Der Verein hat seinen Hauptsitz in München und ist mit Büros in Kiel, Battambang/Kambodscha, Rio de Janeiro/Brasilien und Manila/Philippinen vertreten. Neben langfristigen Projekten in Kambodscha, Brasilien, Indonesien, Ägypten, Uganda und auf den Philippinen organisiert er weltweit Aufräumaktionen. Kärcher arbeitet seit 2019 mit OEOO zusammen, um die deutsche Nord- und Ostseeküste zu reinigen. Die Kooperation ist Teil der Kärcher Nachhaltigkeitsstrategie 2025.
Die unabhängige Hilfsorganisation Cambodian Education and Waste Management Organisation COMPED ging aus dem im Jahr 2000 gegründeten Verein Thüringisch-Kambodschanische Gesellschaft hervor. Die Wurzeln dieses Vereins reichen bis in die 1980er-Jahre zurück, in denen Thüringen und Kambodscha in sozialistischer Solidarität verbunden waren. Mit der Gründung von COMPED durch drei in Deutschland ausgebildete Kambodschaner sollte die Arbeit der Thüringisch-Kambodschanischen Gesellschaft vor Ort erleichtert werden. COMPED setzt sich für ein nachhaltiges Abfallmanagement in Kambodscha ein und unterstützt das auch mit Bildungsprogrammen. Für die Kinder von Familien, die auf Mülldeponien leben, gründete COMPED außerdem Kindergärten und ermöglicht ihnen eine Schulbildung.
Plastikmüll in den Ozeanen
Das Umweltbundesamt schätzt, dass sich zwischen 100 und 142 Millionen Tonnen Müll in den Weltmeeren befinden. Jährlich würden bis zu zehn Millionen weitere Tonnen eingetragen. Man gehe davon aus, dass etwa 70 Prozent der Abfälle zu Boden sinken, während der Rest an die Strände gespült werde oder an der Wasseroberfläche treibe. Durch Strömung und Wind sammelt sich der Müll an bestimmten Stellen. Eine der bekanntesten Ansammlungen ist der North Pacific Garbage Patch. Er hat eine Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometern und ist damit viereinhalbmal so groß wie Deutschland. Die Auswirkungen auf das Ökosystem sind verheerend und gefährden damit die Lebensgrundlagen von Tier und Mensch.
Kambodscha
Kambodscha liegt am Golf von Thailand. Im dem südostasiatischen Land leben schätzungsweise 16,5 Millionen Menschen, rund 1,3 Millionen davon in der Hauptstadt Phnom Penh. Amtssprache ist Khmer, Staatsreligion der Buddhismus. Die Geschichte Kambodschas ist von Gewalt geprägt. Auf den Bürgerkrieg von 1970 bis 1975 folgte die Herrschaft der Roten Khmer, der bis zur Besetzung durch Vietnam 1979 schätzungsweise 1,7 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Heute ist Kambodscha eine konstitutionelle Monarchie mit König Norodom Sihamoni als repräsentativem Staatsoberhaupt.