Der „Tatortreiniger“ der Musikwelt
In dem Kurzfilm „A Rock ‘n‘ Roll Story” ist der Held nicht etwa der Sänger einer Band, sondern der Mann, der am Tag nach dem Konzert alles sauber macht. Max Friedrich hat lange Zeit einen Berliner Club gereinigt – und dabei einiges erlebt und gefunden.
Abgerockt und ein bisschen dreckig – Clubs, in denen Rock-Konzerte stattfinden, sind nicht unbedingt für ihre Sauberkeit bekannt. Manche leben sogar von ihrem schmutzigen Image. Und wenn erst einmal das Licht ausgeht, sieht man den Dreck ohnehin nicht mehr. Auch den Festsaal Kreuzberg in Berlin umweht ein Hauch des wilden, dreckigen Rock ‘n‘ Roll. Max Friedrich hat dort mit seiner Firma viele Jahre nach Konzerten geputzt. Wobei er für das, was er tut, ein anderes Wort benutzt. „Putzen finde ich abwertend. Das klingt unprofessionell. Ich würde sagen: Reinigung. Und in dem Fall auch: Event-Reinigung“, erklärt der 32-Jährige.
Es sei immer ein schmaler Grat zwischen charmant und verdreckt – auch in Berlin, wo alles ein bisschen laissez faire ist. Man dürfe nicht zu lange warten mit dem Reinigen und auch nicht daran sparen, sonst werden die Verschmutzungen zu hartnäckig. „Sobald es eine Grenze überschreitet und richtig abgeranzt wirkt, wird es unattraktiv“, sagt er.
Ein überraschendes Chaos
Mittlerweile betreut Frima, so der Name von Max Friedrichs Firma, auch größere Events – etwa Veranstaltungen bei der Berliner Fashion Week oder Autorennen der Formel E. Max Friedrich erinnert sich aber gut an seine Zeit als „Tatortreiniger“ in der Musikwelt. „Dann kommt man morgens an und das ganze Konzerthaus ist ein Chaos – ein überraschendes Chaos, weil man nie genau einschätzen kann, was einen erwartet“, sagt der Reinigungs-Fachmann.
Überraschend ist auch, dass es das größte Durcheinander nicht nach Rock-Konzerten gibt. „Bei einer Veranstaltungsreihe mit Trap-Musik, einer Hip-Hop-Spielart, wurde alles mit Papier-Geldscheinen vollgeworfen. Bei einer anderen Veranstaltung mit elektronischer Musik lagen 50 zerschlagene Gläser am Boden – die ganze Fläche war voller Glasbruch. Da hat man ganz schön was zu tun.“ Die Generation Rock hingegen sei etwas braver und gediegener geworden. „Die älteren Leute schmeißen nicht mehr mit Gläsern “, ist Friedrichs Erfahrung.
Mit Besen und Schaufel den Boden freigraben
„Manchmal muss man erst den Boden freigraben, ganz klassisch mit Besen und Schaufel“, sagt Friedrich. Denn der kriegt bei Veranstaltungen das meiste ab. Neben Glasscherben und brennenden Zigaretten auch Bierspritzer und andere klebrige Flüssigkeiten – munter verteilt und festgetreten von Hunderten Füßen. Um solchen Verschmutzungen zu Leibe zu rücken, hat Max Friedrich ein ganzes Arsenal an technischen Helfern: unter anderem eine Scheuersaugmaschine, einen Nass-Trocken-Sauger, eine Einscheiben-Maschine, eine High-Speed-Einscheibenmaschine, um Bodenbeläge zu polieren, und eine Kehrmaschine.
Im Film „A Rock ‘n‘ Roll Story“ sieht man Friedrich beim Reinigen der Tanzfläche. Mit der Scheuersaugmaschine mit Scheibenbürsten, fährt er dabei gut gelaunt über Strohhalme und Zigarettenkippen. „Da hat sich das Filmteam etwas künstlerische Freiheit erlaubt. Normalerweise wird erst gründlich gefegt – oder eine Walzenmaschine mit Vorkehrreinrichtung verwendet“, sagt er. Richtig ist jedoch, dass Friedrich seine Arbeit liebt. „Mein Job ist eine Berufung – jedes Mal, wenn ein Bereich sauber ist, gibt einem das ein gutes Gefühl. Man lädt sich bei der Arbeit mit positiver Energie auf“, findet der Jungunternehmer.
„Reinigung ist etwas sehr Intensives“
Ein Bereich im Club, bei dem man mit der Reinigung nicht bis zum nächsten Morgen warten kann, sind die Toiletten. Mit der meditativen Stimmung, die manchmal beim Aufräumen am nächsten Tag aufkommt, ist es dabei nicht weit her, erzählt Max Friedrich: „Die Toiletten-Reinigung ist immer speziell. Da gibt es Stoßzeiten – wenn beim Konzert Pause ist, strömen alle hin. Wenn die Band spielt, ist keiner da.“
Auch die rauschendste Party endet spätestens, wenn das Putzlicht angeht. Grelle Leuchten bringen dann zum Vorschein, was am nächsten Morgen auf die Event-Reiniger zukommt. Max Friedrich gerät ins Philosophieren: „Das intensive Licht spiegelt den Charakter der Reinigung wider, weil Reinigung etwas sehr Intensives ist. Es ist wichtig, dass man alles sieht und alles wieder in den Grundzustand bringt.“ Wie wichtig, erklärt er mit einer Anekdote: Als in einem Sterne-Restaurant einmal das Licht ausfiel, ließ Friedrich seine Mitarbeiter kurzerhand mit Kopflampen ausstatten.
Zu Tage fördert das grelle Licht außerdem, was das Publikum neben dem Schmutz noch zurücklässt – Fundsachen, vom Handy bis zum Hemd. Ein Fundstück ist Max Friedrich dabei in besonderer Erinnerung geblieben. „Im Festsaal Kreuzberg haben wir auch den Biergarten gereinigt. Beim Aufräumen habe ich da mal eine Gucci-Sonnenbrille gefunden. Es stellte sich heraus, dass sie dem österreichischen Rapper Yung Hurn gehörte, der sich gerne mit Designer-Accessoires schmückt. Die hat er aber auch wiederbekommen – und sich mehrfach bedankt.“